Zum Werk des Peter Demetz |
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Diese Zeilen stellen den Versuch dar, den technischen Aspekt der Werke des Malers Peter Demetz (1913-1977) zu analysieren, wobei die Einstellung des Künstlers zur Beziehung Mensch-Natur ein wesentlicher Bestandteil der Ausführungen sein wird. In den Werken fällt vor allem eines immer wieder auf: Es gelingt dem Künstler, den Betrachter in jene Art von Erstaunen zu versetzen, die ihn auch in der freien Landschaft in der Hingabe an besondere Stimmungen und beeindruckende Ansichten überkommt. Solch ein Erstaunen ist eine Reaktion auf besondere Formationen, Kompositionen von Linien oder Farbkontrasten, auf das plötzliche Aufeinandertreffen von Licht und Schatten. Dadurch können erhebliche Emotionen geweckt werden. Meistens wirken die Bilder wie Ausschnitte aus der Natur, Ausschnitte ähnlich einem Photo, unterscheiden sich aber wesentlich davon. Bei der Arbeitsweise des Künstlers, handelt es sich nämlich nicht um einen passiven Vorgang, ein Registrieren oder eine bloße Wiedergabe optischer Eindrücke. Man kann während des Betrachtens genau erkennen, wie die Darstellung Pinselstrich für Pinselstrich konstruiert wurde. Farbfleck um Farbfleck wurden nebeneinander, bzw. aufeinander in einer lockeren, aber kaum einmal zufällig wirkenden, Art gesetzt. Trotz dieser akkuraten, reflexiven Arbeitsweise gelingt es Peter Demetz in den allermeisten seiner Bilder zu verhindern, pedant, kleinkariert oder, was schlimmer wäre, kalt zu wirken. Im Gegenteil, die Werke offenbaren Atmosphäre, augenblickliche Eindrücke, die auf ungewöhnliche Fähigkeit des Malers hinweisen die Natur zu studieren, zu fühlen und zu lieben. Da es sich bei den Werken nicht um Aquarelle, sondern zumeist um Bilder in Temperatechnik handelt, ließe sich der Umstand, daß es sich trotzdem immer um Darstellungen extrem kurzweiliger Augenblicke und Stimmungen des Tagesablauf handelt, verschiedentlich erklären. Er könnte z.B. auf eine außerordentlich schnelle, aus großen Pinselstrichen bestehende Arbeitsweise hinweisen, was aber zumeist nicht zutrifft. Viel mehr kann man nach der Analyse der Technik zur Überzeugung gelangen, der Maler habe eine so unerhört große Kenntnis der Beschaffenheit der Objekte und Details, aus denen eine Landschaft besteht, daß er in der Lage ist Eindrücke für spätere genaue Ausarbeitung tief im Bewußtsein zu verankern. Infolgedessen gelingt es Peter Demetz, auch nachdem eine Stimmung verblaßt ist, sie auf der Leinwand darzustellen. Die außergewöhnliche Beherrschung der Maltechnik, die er zumeist anwendet, die Aquarell-Temperamischtechnik, erleichtert ihm dabei wesentlich die Aufgabe. Er beginnt in der Regel mit einer leichten aquarellierten Untermalung des meistens grauen oder hellbraunen Kartons, um dann zur Auftragung der ersten Temperafarbtöne überzugehen. Er verfährt dann in der logischen Abstufung von den dunkleren zu den helleren Tönen, wobei die leichte vorausgehende Zeichnung nur noch ausnahmsweise hie und da sichtbar bleibt. Ab und zu kommen noch, als letzte Arbeitsphase und gewissermaßen als Ausnahme von der Regel, einige dunklere Farbtupfer zur Verwendung, um bestimmte stärkere Töne zu unterstreichen. Sehr interessant erscheint mir, wie der Maler Tiefenwirkungen erzeugt, ohne deshalb auf die Zentralperspektive zurückzugreifen. Peter Demetz versucht nämlich eine Landschaft in ihrer verschiedenen materiellen Zusammensetzung darzustellen und berücksichtigt dabei die Art und Weise, wie die verschiedenen Materialien auf das Licht reagieren. Feste Gegenstände, wie Felsen, Erdreich oder Bäume, können matt wirken, Wasser spiegelt wider, die Wolken und der Himmel erscheinen transparent und zart. Die Raumwirkung ergibt sich also aus dem Verhältnis zwischen besonderen Eigenschaften der Materialien, welche mittels Farbflecken dargestellt werden. Diese Arbeitsweise erhöht die Vielfalt der Möglichkeiten für den Maler wesentlich. Die Tiefenwirkung wird im Großteil der Bilder noch von einer fischgratähnlichen Komposition verstärkt, was auf eine spezifische Suche von Motiven dieser Art schließen läßt. Die Linien weisen diagonal, von der ungefähren Mitte des Bildes ausgehend, rechts und links nach oben. Bekanntlich erfaßt man eine Landschaft rein optisch als eine Gesamtheit von verschiedenen Farbflecken, die in bestimmten Beziehungen zueinander stehen und Eindrücke, bzw. Gefühle, erwecken können. Eine ähnliche Art zu malen, nämlich mittels Farbflecken, wurde bereits im 18. Jahrhundert vom englischen Künstler Alexander Cozens theorisiert. Er stellte der Poetik des Erhabenen jene des Malerischen gegenüber und erkannte in ihnen zwei Arten von Grundeinstellungen des Menschen gegenüber der Natur. Genauso wie einem Menschen beim Betrachten einer kühnen Felswand ein Gefühl der Unterwerfung vor der Gewalt der Schöpfung, oder im Gegenteil, der Drang zur Überwindung derselben überkommt, werden sich in einem Künstler mitten in der Landschaft verschiedene Gefühle regen. Anfang des 19. Jahrhunderts drückte auch der englische Maler John Constable (1776-1837) seine Überzeugung aus, man könne ein Gefühl vom Eindruck, durch den es erweckt wurde, nicht trennen. Gedanken dieser Art bewegten auch Peter Demetz, für den die Bergwelt die ideale Umgebung war, eine Umgebung, die er nur deshalb in der Lage war darzustellen, weil er sie außerordentlich gut kannte. Als Betrachter der Bilder erkennt man Berge, Bäume und andere Details wieder, die sich bei genauerem Hinsehen bloß als Farbtupfer erweisen. Diese Farbtupfer erwecken in uns Erinnerungen an "jenen Berg", "jenen Farbeffekt", an "den Baum vor unserem Elternhaus". Praktisch erkennt man in den Farbflecken gewisse Objekte wieder, weil sie dem Maler und uns als Betrachter bekannt sind. Und genauso dachten auch schon die französischen Maler der "Barbizonschule" um Théodore Rousseau (1812-1867), für die das "Gefühl für die Natur" Voraussetzung zur Schaffung eines Landschaftsbildes war. Diese Vergleiche mit namhaften Künstlern vergangener Jahrhunderte wurden nicht deshalb angestellt, um Parallelen in der Wertschätzung zu finden, wobei ich Peter Demetz , Begründer einer eigenen Schule, sicherlich als einen der bedeutendsten Landschaftsmaler Südtirols seit etwa 1935 ansehe, sondern um zu beweisen, daß für eine gute Darstellung einer Landschaft eine besondere Einstellung zur Natur war und ist. Und vor allem in dieser Hinsicht brauchen die Werke des Künstlers Peter Demetz keinen Vergleich zu scheuen. Im künstlerischen Werdegang des Malers gab es unterschiedliche Phasen: Ende der Dreißiger- bis in die Fünfzigerjahre entstanden die kräftigsten und eindrucksvollsten Bilder, die ich qualitativ am höchsten einschätzen würde. Vor allem am Ende der Dreißigerjahre sind die Farbkontraste stark, teilweise gewagt und muten mitunter impressionistisch an. In den nächsten zwanzig Jahren wirkt die Farbpalette dumpfer, es spricht eine innige Besonnenheit aus den Bildern, die wahrscheinlich auf eine größere Reife und die Tragik des im Krieg Erlebten zurückzuführen ist. Die Bilder der späteren Laufbahn weisen öfters größere Formate auf und sind durchaus detaillierter. Charakteristisch für diese letzte Schaffensphase des Künstlers sind die weicheren, wärmeren Farben, denen ab und zu ein gewisses Pathos anhaftet. Trotzdem bezeugen auch diese Werke die Verbundenheit des Künstlers mit der Natur und seine Einstellung zu ihr, die geprägt war von großem Wissen, nie nachlassender Neugierde, Liebe und vor allem Respekt.
St. Ulrich, Frühjar 1992 Dr. Leander Moroder |